Literarische Vorbilder sind eine Möglichkeit, sich dem Erzählen des eigenen Lebens zu nähern. In diesem Blog-Artikel zeige ich dir, wie du Max Frischs Erzählweise in seiner autobiografischen Erzählung Montauk als Inspiration nutzen kannst.
Übersicht
Max Fisch – Montauk
Ich empfehle dir zur Einstimmung die Erzählung zu lesen. Sie ist nicht besonders lang und sehr interessant, sobald man sich an den assoziativen Erzählstil gewöhnt hat. Falls du dir erstmal einen Überblick verschaffen möchtest, findest du hier eine tolle Zusammenfassung.
Der Inhalt der Erzählung ist für diese Schreibübung weniger wichtig, als die Mittel, die Frisch benutzt, um sein Leben zu schildern.
Frischs Art zu erzählen
Frisch erzählt episodenhaft. Die Episodenfragmente sind unterschiedlich lang. Jedem ist eine eigene Überschrift zugeordnet. Folgende Überschriften-Typen verwendet Frisch in Montauk:
- einzelne Worte (Déjà-vu, Memoiren, Money)
- Sätze (It’s pointless, What do you think)
- Daten (11.5.1974)
- Namen (Lynn)
- Literaturzitate (Der gute Gott von Manhattan)
- Orte (Montauk, Monte Alban)
Die Erinnerungen, über die Frisch reflektiert, reihen sich assoziativ aneinander. Eine ruft die nächste hervor oder führt in die Gegenwart zurück. Frisch springt dabei durch sein Leben und folgt – mit Ausnahme der Rahmenhandlung – keiner Chronologie.
Das besondere der Erzählung ist ihre eigentümliche Erzählperspektive. Max Frisch schreibt seinen autofiktionalen Text nicht nur in der Ich-Perspektive. Wenn er über Lynn erzählt, nutzt er die personale Perspektive. In Erinnerungen an seine Frau Marianne wählt er das Du.
Beispiele aus Frischs Montauk
Wie kann dir Frischs Erzählstil helfen?
Sein ganzes Leben erzählen, diese Vorstellung kann schnell überfordern. Das nicht chronologische Erzählen in Episoden erleichtert dir den Einstieg ins autofiktionale Erzählen.
Es geht nicht mehr darum, dein Leben als Ganzes zu schildern. Du nimmst dir Ausschnitte vor, zu denen du deine Gedanken notierst. Über die Bedeutung dieser Ausschnitte, zu denen du Überschriften findest, bestimmst du allein. Du folgst deiner eigenen inneren Logik, dem assoziativen Erzählsog.
Durch die zahlreichen Überschriften segmentierst du deine Erzählung. Indem du etwa Überschriften mehrfach verwendest, stellst aber auch ganz einfach Verknüpfungen und Bezüge in den Zeitebenen her.
Durch das Nutzen unterschiedlicher Perspektiven kannst du während des Erzählens Nähe oder Distanz schaffen – zur Leserin, zum Erlebten, aber auch du deinem vergangenen Ich.
Phase 1: Liste schreiben
Nimm dir 15–30 Minuten Zeit. Gehe von der Gegenwart aus. Welche Themen beschäftigen dich gerade? Notiere als Liste alles, was dir in den Sinn kommt. Worte, die dein Thema umkreisen, aber auch Lied- und Gedichtzeilen, Orte, wichtige Daten, Personennamen, Film- oder Buchzitate. Alles, was dir einfällt, ist richtig und wichtig.
Tipp
Falls du dir schwertust, Überschriften zu finden. Wähle einfach dein Lieblingsgedicht oder dein Lieblingslied. Jeder Vers bildet eine Überschrift, zu der du kurz etwas erzählst.
Phase 2: Erinnern
Lasse dich von deiner Intuition leiten. Wähle eine Überschrift aus der Liste, mit der du anfangen möchtest. Schreibe dazu einen kurzen Text. Wähle dann eine zweite Überschrift. Es ist möglich, dass du – sobald du mit dem Erinnern beginnst – in einen Sog gerätst und sich andere Überschriften aufdrängen. Folge diesem Sog und überlasse dich dem assoziativen Erzählen.
Phase 3: Überarbeiten
Vielleicht bist du mit dem Ergebnis des assoziativen Erzählens bereits völlig zufrieden. In diesem Fall versuche die einzelnen Episoden zu pointieren. Ordne sie gegebenenfalls anders an und spüre nach, ob sich besondere Deutungsansätze ergeben. Falls du möchtest, kannst du Frischs Vorbild noch genauer folgen und eine Rahmenhandlung finden, in die du deine Episoden einbettest (z. B. ein Wochenende in Paris, ein Umzug in eine andere Stadt).
Eigener Text
Zuerst habe ich mir mit dieser Übung etwas schwergetan. Das lag insbesondere daran, dass ich zu belastende Überschriften gesammelt hatte. Das nahm der Übung die Leichtigkeit und mir die Lust, mich zu erinnern.
Besser klappte es, nachdem ich den Text einer Kommilitonin gelesen hatte. Sie hatte das Gedicht „Nicht fertig werden“ von Rose Ausländer als Ausgangspunkt ihres Erinnerns genommen. Die Leichtigkeit meiner Kollegin hat mich sofort inspiriert und ich habe neue, banalere Überschriften gefunden. Das hat mir den Einstieg ins Erzählen erleichtert. Die schwierigeren Themen kamen dann ganz von allein (die ich aber aus diesem Text aufgrund ihrer Privatheit gekürzt habe). Die Übung hat bei mir schnell einen Erzählsog ausgelöst, mir fielen ständig neue Überschriften ein – und ich könnte mir sehr gut vorstellen, auf diese Art und Weise weiterzuerzählen.
Wie ist es dir beim Schreiben ergangen? Hat dir die Anlehnung an Frischs Erzählstil geholfen? Welche Überschriften hast du für dein Leben gefunden? Teile deine Erfahrungen in den Kommentaren. Ich würde mich freuen!
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Interessiert dich das Thema autofiktionales Schreiben? Im Artikel “Autofiktion – erzähle dich schreibend selbst” erfährst du, wie du ein autobiografisches Erlebnis in ein autofiktionales Märchen sowie ein Essay umwandelst.
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Anmerkung
Diese Schreibübung stammt aus dem Modul “Autofiktion” (Dozent: Thomas Avenhaus). Das Modul ist Teil des Master-Studiengang “Biografisches und Kreatives Schreiben” an der ASH Berlin.