Endfassung
Teil 1: Emma 1940
Er war da, in der Dämmerung, als Emma noch einmal nach dem Gartentor sehen wollte. Es sollte geschlossen sein in diesen unsicheren Kriegszeiten. Weil aber ein Gewitter aufzog, ging sie ums Haus, um eine Decke von der Gartenbank zu holen. Da saß er und schaute zu den Wolken auf. Emma erschrak heftig.
„Was machen Sie da? Wie kommen Sie hier herein?“
Von der Bank kam ein leises Lachen. Es klang unbeschwert und jungenhaft.
„Psst!“ machte er. „Sei still! Hörst du wie die Amsel flötet? Gleich wird sie aufhören. Es gibt Gewitter.“
„Und deshalb sitzen Sie in meinem Garten? Sollten Sie nicht ganz woanders sein?“
Sie hörte wieder das leise Lachen.
„Setz dich!“, sagte er und rutschte etwas zur Seite.
Etwas Magisches ging von dem Jungen aus und Emma setzte sich neben ihn. Angst hatte sie nicht. Seit zwei Jahren war sie mit Karin allein. Arno, ihr Mann, war an der Front. Er hatte sich freiwillig gemeldet. Wie lange hatte sie ihn nicht gesehen?
Die Kleider des Mannes, neben dem sie hier auf der Bank saß, rochen nach Erde und einem Gemisch von Tabak und Schweiß. In den Gartenbeeten dufteten Flieder und Maiglöckchen. Emmas Sinne waren gereizt. Sie verspürte Verlangen und Lust. Ihr Versuch, dieses Gefühl abzuwehren, misslang, als er sanft ihre Hand nahm und sie fragte: „Hast Du keine Angst?“ Emma konnte nur rau flüstern: „Nein“.
Die Hand strich langsam über ihren Arm. Ein heißes Gefühl überströmte Emma und lähmte all ihre Vernunft. Sie legte ihren Arm um seinen Hals und er küsste sie zart, streichelte ihr Gesicht und da war es um Emma geschehen. Als die ersten Regentropfen aufklatschten, flüsterte er: „Komm morgen wieder.“
Er küsste sie noch einmal, sprang über den Zaun und war verschwunden.
Zwei Nächte noch saß er auf der Bank und lachte leise, wenn sie um die Ecke bog. In der vierten und fünften Nacht saß sie allein auf der Bank. Die nächsten Nächte waren kühl und verregnet und Emma traute sich nicht mehr in den Garten. Er war verschwunden.
Anmerkung
Beim Vorher-Nachher-Vergleich wird die unterschiedliche Herangehensweise deutlich. Die Endfassung gliedert sich in drei Teile. Ich habe mich von der Rahmenhandlung getrennt. Im Grunde war sie für mich nur ein Vehikel, um mich dem Kern meiner Geschichte (Emmas Erlebnis) überhaupt nähern zu können. Als dieser dann geschrieben war, benötigte ich diesen Teil nicht mehr und konnte so direkt in die Haupthandlung einsteigen. Im Vergleich zur Erstfassung zieht die Endfassung die Lesenden unmittelbarer ins Geschehen, was die Geschichte spannender macht.